GRÜNE Glosse…

Von Ingo Steiner

Freitag, endlich Feierabend und es geht ins Wochenende. Doch dann der verheerende Anruf der 16-jährigen Tochter:  „Papa, das Internet geht nicht mehr und das Telefon ist auch tot. Ich muss dringend in Facebook antworten dass ich mitkomme, die gehen sonst ohne mich.“  Unter größten Anstrengungen kann ich meine aufgebrachte Tochter beruhigen und erkläre,  sie könne ihrer Freundin doch auch eine SMS senden. Da war mir noch nicht bewusst, dass ich zwar ihren Abend  retten konnte,  für mich  aber viel schlimmer kommen sollte.

In der U-Bahn beschließe ich,  die Hotline meines Telekommunikationsanbieters anzurufen. Und es ertönt die freundliche Stimme des Sprachcomputers mit dem Hinweis, ich könne die Störung einfacher auch per Internet melden. Tolle Idee,  aber leider geht genau das ja nicht. Dann die Frage nach meinem Anliegen.  „Störung“,  sage ich laut und deutlich.  Die Dame:  „Ich habe sie nicht verstanden.“   Ich setze wieder an,  da lacht der Nebenmann in der Bahn und die Dame sagt mir wieder, ich habe sie nicht verstanden. Unter merkwürdigen Verrenkungen das Mikrofon abgedeckt brülle ich ein „Störung“ in mein Handy. Mein Nebenmann scheint kurzfristig zu überlegen, ob er nicht besser nachfragt, ob im Landeskrankenhaus jemand entwischt ist.

Aber ich habe Erfolg und nun kommt die Frage nach der Rufnummer. Da ich diese ja über die Tastatur eintippen kann, ist das  eine leichte Übung.  Schön, die Dame wiederholt die Rufnummer und ich möchte bitte mit „Ja“ antworten, wenn diese richtig ist. Da habe ich nicht mit meinem Nebenmann gerechnet, der laut einem Bettler mit „nein“ antwortet,  weil er keinen Euro hat. Die Dame am anderen Ende sagt nur freundlich, bitte nennen sie mir die Rufnummer des Anschlusses,  um den es geht. Wieder tippe ich meine Rufnummer ein, schaue nach Bettlern und anderen Gründen für ein Nein, decke mein Mikrophon ab und sage laut und energisch „ ja“. Wie durch ein Wunder, es hat geklappt und ich werde an den nächsten freien Mitarbeiter weitergeleitet.

Endstation. Nun geht es zur DB, das Handy am Ohr und schnellen Schrittes, denn durch die Verspätung habe ich nur wenige Minuten zum Umsteigen. Das Positive an Warteschleifen ist ja, dass es lange dauert bis man endlich den ersten freien Mitarbeiter ans Ohr bekommt. Obwohl , ich frage mich zwischenzeitlich, warum die ganzen anderen Mitarbeiter weggesperrt worden sind.

Im Zug stehe ich nun mit Handy am Ohr im Gang und höre immer noch die Warteschleife.  Im Telefon ertönt der Anklopfton, ich wechsle zum anderen Gespräch,  wo meine Tochter mir die nächste Katastrophe eröffnet. Sie hat kein Guthaben mehr. Ich beruhige sie und sage , sie soll bitte vom Festnetz anrufen, was zu einem Wutausbruch führt, „ das ist doch Schrott,  Papa!“  Ich schlage vor, dass sie ihren Bruder bittet von seinem Handy kurz anrufen zu dürfen oder zum nächsten Shop geht und ihr Handy auflädt. Wieder zurück in der Hotline muss ich feststellen, das Gespräch wurde beendet. Ich suche kurzfristige ein geeignetes Opfer, um  ihm mein Handy an den Kopf zu werfen und beschließe dann doch nochmal die Hotline zu wählen.

Da ich niemanden langweilen möchte, es war die gleiche Prozedur wie vorher, auch wenn diesmal kein Bettler kam und es etwas schneller ging. Doch dann kam das Funkloch auf der DB Strecke und ich durfte wieder von vorne anfangen. Das Prozedere nun zum dritten Mal erfolgreich ohne Funkloch, Bettler oder andere Störungen geschafft, habe ich wieder die melodische einschläfernde Musik der Warteschlange im Ohr. Gut,  die Fahrgäste im Zug starren mich an, weil ich die ganze Zeit quasi per Handy mit mir selbst rede, aber das ist mir nun auch egal. Endlich wieder Warteschleife, 5, 10, 15 Minuten und nun kommt die freundliche Ansage: „Zur Zeit steht leider kein Ansprechpartner zur Verfügung, bitte probieren sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“

Zwischenzeitlich hatte mein Sohn mir auf die Mailbox gesprochen, „der blöden Kuh“ werde er sein Handy nicht leihen,  weil sie ihm „die Kohle für das letzte Gespräch mit ihrer mega-blöden Freundin noch nicht zurückgegeben hat“.  Sie könne ja zur Telefonzelle laufen. Ich überlege kurzfristig, gibt es bei uns im Ort überhaupt noch Telefonzellen?

Kurzfristig überlegte ich am nächsten Bahnhof den Zug zu wechseln, am besten ganz weit weg und  wo kein Handyempfang mich stören würde. Doch ich tat etwas, was ich später bereuen sollte und wählte erneut die Hotline an. Ich hatte beschlossen, dem Sprachcomputer nicht die Macht zu geben über mich zu bestimmen und brüllte in Feldwebelmanier meine Wünsche ins Handy. Was zu einem Tadel einer älteren Dame drei Sitze vor mir führte „‚können sie nicht etwas leiser Telefonieren?“  Ich raunte ein „ich telefoniere nicht, das ist nur ein scheiss Computer.“  Die freundliche Dame am anderen Ende sagte nur „Entschuldigung,  ich habe sie nicht verstanden.“  Wieder in der Warteschleife angekommen machte sich ein siegreiches Grinsen über meine Wangen breit.

Nach nunmehr 45 Minuten bekam ich endlich einen sprechenden Menschen an die Leitung. Ich schilderte mein Problem und er fragte freundlich nach der Rufnummer des Anschlusses. Diese hatte ich nun zwischenzeitlich  fünfmal  eingegeben, brüllte nur noch entnervt ins Telefon „die müssen sie doch haben!“  Der geschulte Mitarbeiter erwiderte freundlich, ohne Rufnummer könne er die Störung nicht erfassen. Zum Glück hatte ich von der letzten Fortbildung noch die Übungen zur Entspannung im Kopf,  atmete tief durch und gab säuselnd meine Rufnummer durch.

Der Mitarbeiter nahm die Störung auf und fragte mich ob ich den Router schon mal vom Strom getrennt hätte. Ich erwiderte freundlich – kurz vorm überkochen – nein, weil ich nicht zu Hause wäre. Darauf bekam ich den Tipp, dieses zu Hause zu probieren und wenn es weiterhin nicht funktionieren würde sollte ich nochmal anrufen. Das Zugabteil wurde in diesem Augenblick von einem Nein-Schrei erfüllt.  Als Antwort bekam ich ein „ tut-tut-tut“. Ddie Gegenseite hatte aufgelegt.

Ich entschloss mich in den Speisewagen zu wechseln, ein Weizenbier zu trinken und mich erst einmal zu beruhigen. Jeder Werwolf hätte im Vergleich zu mir wie ein süßes, verspieltes Labradorwelpen ausgesehen. Nachdem ich mich jetzt beruhigt hatte, der nächste Versuch mit den nun lauteren Umgebungsgeräuschen im Speisewagen.  Bei jedem Geräusch setzte der Sprachcomputer aus und meldet sich „Ich konnte sie leider nicht verstehen“. Gut, ich wollte ihm ja sagen „hier ist es zu laut“ aber er hörte mir ja gar nicht zu. Der Herr neben mir merkte an, ich solle doch besser vor die Tür gehen. Nachdem er meinen wirren Blick sah, verstummte er und widmete sich wieder seinem Rotwein gewidmet.

Ich verließ den Speisewagen um mich im Flur dem nächsten Versuch zu widmen. Mit einer im Vergleich zu vorher rasenden Geschwindigkeit landete ich in der Warteschlange und hatte diesmal sogar wohl einen Menschen am Ohr. Geprägt von den vorherigen Versuchen habe ich schlicht alle Fragen mit ja beantwortet. Der Mitarbeiter sagte mir, er würde die Leitung jetzt durchmessen. Nun sollten Gespräche geführt werden, würden  diese unterbrochen. Ich fragte mich zwar, wer mit einem gestörten Anschluss telefonieren soll,  aber es bringt schließlich nichts das zu erwähnen.

Nach  fünf  Minuten Wartezeit bekam ich die gute Information, dass die Leitung in Ordnung sei und es wahrscheinlich am Endgerät läge. Mit leichter Schnappatmung versuchte ich mich zu beherrschen und raunte nur ein „das ist doch von ihnen“ in die Leitung. Freundlich und bestimmend wurde mir erklärt, er könne gerne einen Techniker vorbei schicken. Aber wenn es am Endgerät läge würden mir 100 Euro berechnet. Kurz vor dem finalen Wutausbruch schrie ich nur noch, dass er das machen sollte. Freundlich wurde mir mitgeteilt, dass er das aufgenommen hätte und der Techniker sich Montag bei mir wegen eines Termins melden würde.

Gerade aufgelegt klingelte das Telefon, es war meine Frau. Sie berichtete mir vom Kriegszustand unserer beiden Kinder. Sie meinte wegen dem Telefon bräuchte ich mich nicht zu kümmern, die hätten beim den Kanalbauarbeiten das Kabel beschädigt und die Techniker wären schon dran es zu reparieren. Nach dem Auflegen fragte ich mich,  was der Techniker am Ende der Leitung wohl gemessen haben könnte?

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